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Entstehung der ARGE und weitere Entwicklung

Nach längeren Vorbereitungen kam es am 30. 6. 1983 im Internationalen Kulturzentrum in der Anna­gasse (in der Wiener Inneren Stadt) zur Konstituierenden Generalversammlung der „Wiener Arbeitsgemeinschaft für Volksgruppenfragen“ (ARGE). Daran nahmen rund 30 Interessierte teil, wobei sich ein bemerkenswert jugendliches Durchschnittsalter herausstellte: Der weit über­wiegende Teil war berufstätig, daneben einige Studenten, nur etwas mehr als ein Viertel waren Pensionisten. Dies bekräftigt, dass die Gründung eines derartigen, alle Lebensalter erfassenden und vitale Interessen ansprechenden Vereins offenbar notwendig war. Auch für eines der Hauptziele des Vereins, nämlich den Zusammenhalt sowohl zwischen den (aner­kannten) Volksgruppen in Wien als auch zwischen Mehrheitsbevölkerung und ethnischen Minderheiten, sowie das Verständnis füreinander zu fördern, bot die personelle Zusammensetzung schon von Anfang an eine gute Grundlage: So wurden in den Vorstand – in alphabetischer Reihen­folge – Dr. Eva Maria Barki, Feliks J. Bister, Dr. Ernő Deák (Schriftführer), Demeter Karall, Karl Matal, Hans Oman (Kassier) und Dr. Heinz Tichy (Obmann) gewählt. Damit waren alle von der genannten Zielsetzung erfassten ethnischen Gruppen, insbesondere  auch alle damals als „Volksgruppen“ anerkannten Minderheiten – Burgenlandkroaten, Slowenen, Tschechen und Ungarn – in der Vereinsführung vertreten. An dem Grundsatz, dass möglichst alle in Betracht kommenden Gruppen im Vorstand vertreten sein sollen, hat sich bis heute nichts geändert.

Noch 1983 fand am Nationalfeiertag im Alten Rathaus in der Wipplingerstraße unter zahlreicher Beteiligung das erste von der ARGE organisierte Symposion statt. Es stand unter dem Motto „Unterricht und Bildung in den Volksgruppensprachen am Beispiel Wiens“; es referierten – in chronologischer Reihenfolge – Dr. Heinz Tichy, Dr. Klaus Satzke, Karl Matal (alle aus Wien), Dr. Nikola Bencsics (Eisenstadt), Dr. Auguštin Malle (Klagenfurt), Mag. Michael Kulnik, Demeter Karall und Dr. Ernő Deák (alle Wien). Zur Eröffnung sang der Chor der Wiener Komenský-Schule. Die Beiträge wurden, zum Teil in erweiterter Form, unter dem Titel des Symposions in der Schriftenreihe „Ethnos“ des Braumüller-Verlags veröffentlicht. – Derartige Symposien haben dann in der Folge, bis heute, im Zwei-Jahres-Rhythmus stattge­funden, und zwar bis einschließlich 1997 jeweils am oder rund um den 26. Oktober.

1984 eröffnete der damalige Vizebürgermeister Dr. Erhard Busek im Internationalen Kulturzentrum Anna­gasse mit dem Thema „Kulturelle Vielfalt in Wien – Neue Stadtaußenpolitik als Vermittlerin zu den Bundesländern“ eine bis jetzt fortgeführte Reihe von Vorträgen und Diskussionsaben­den zu aktuellen Volksgruppenfragen. Diese Vorträge wurden später meist mit den jährlichen Generalversammlungen verbunden, es gab darüber hinaus aber auch zusätzliche Abende; weitere Veranstaltungsorte waren in den Folgejahren häufig das slowenische Studentenheim „Korotan“ in der Albertgasse im achten Wiener Gemeindebezirk, die Räume des „Burgenländisch-Kroatischen Kulturvereins in Wien“ in der Schwindgasse (im vierten Bezirk) sowie die des Zentralverbandes Ungarischer Vereine und Organisationen in Öster­reich“. Wegen der großen Zahl können in dieser Chronologie nur die markantesten dieser Veranstaltungen erwähnt werden. Zu den Jahren 1984 und 1985 ist noch anzumerken, dass damals intensive Diskussionen – mit weiteren Veranstaltungen – über die Einrichtung eines „Volksgruppenhauses“ geführt wurden, die in relativ konkrete Vorschläge mündeten.

Das Symposion 1985, wieder im Alten Rathaus, hatte „Die österreichischen Volksgruppen und die Massenmedien“ zum Thema. Es sprachen Dr. Thomas Pluch, Wolf In der Maur, Peter Tyran, Horst Ogris, Karl Matal und Dr. Márton Bohus. Die musikalische Umrahmung besorgte der slowenische Männerchor des „Dunajski krožek“. Die Massenmedien wurden in diesen Jahren für die Volksgruppen in Wien zu einem besonderen Thema, weil der ORF zwar für die Volksgruppen im Burgenland und in Kärnten eigene Fernsehsendungen einzurichten begann, alle Volksgruppen in Wien aber, einschließlich sämtlicher Zuwanderergruppen, auf eine einzige, gemeinsame Sendung („Heimat, fremde Heimat“) verwies. Alle Bemühungen um eine diesbezügliche Gleichbehandlung von Wien mit dem Burgenland und Kärnten – auch dazu gab es z.B., neben schriftlichen Eingaben und Vorsprachen, 1989 einen Diskussions­abend mit dem ORF – sind bis heute erfolglos geblieben. Ungeachtet dessen muss aber her­vorgehoben werden, dass sich das Team von „Heimat, fremde Heimat“ als ein engagierter und dennoch objektiver Partner erwiesen hat, der gerade auch die Arbeit der ARGE seit Jahren kompetent begleitet.

Eine Gelegenheit, die Ziele der ARGE und ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit zu präsen­tieren, boten und bieten nicht nur die themenspezifischen Veranstaltungen der ARGE selbst. Neben dem gelegentlichen Auftreten bei allgemeinen Veranstaltungen, z.B. Stadtfesten, waren und sind es vor allem die vom „Burgenländisch-Kroatischen Kulturverein in Wien“ alljährlich im September veranstalteten Kulturtage im „Böhmischen Prater“ auf dem Wiener Laaer Berg, die die ARGE seit den ersten Jahren ihres Bestehens gerne genützt hat und weiterhin nützt, um zu informieren und mit Interessierten ins Gespräch zu kommen.

Im Jahr 1986 setzte die ARGE Schwerpunkte im kulturellen Bereich, indem sie aus dem sich auflösenden Verein „Volksgruppeninstitut – Institut für vergleichende Kulturgeschichte der österreichischen Volksgruppen“, der 1977 u. a. von Schriftstellern wie György Sebestyén und Milo Dor gegründet worden war, im Einvernehmen einen Teil der Zielsetzung und des Namens übernahm. Seit damals ist die Bezeichnung „Volksgruppeninstitut“ Teil des Vereins­namens  der ARGE und erstreckt sich die Zielsetzung des Vereins auch auf die kultur­geschichtlichen Aspekte der Volksgruppen. Mit einer Bücherpräsentation im selben Jahr machte die ARGE auf neue Übersetzungen österreichischer Literatur, insbesondere Volks­gruppenliteratur, in das Englische aufmerksam; vorgestellt wurden  „Ptići i Slavuji / Hawks and Nightingales“ (herausgegeben von Peter Tyran), „Koroška Slovenska Poezija / Carinthian Slovenian Poetry“ (herausgegeben von Feliks J. Bister und Herbert Kuhner) und „Austrian Poetry Today/Österreichische Lyrik heute“ (herausgegeben von Milne Holton und Herbert Kuhner).

Das Symposion 1987 im Alten Rathaus befasste sich mit der „Zukunft der Volksgruppen – Perspektiven der Entwicklung“. Es referierten zwei Professoren aus dem damaligen Jugosla­wien (Dr. Ernest Petrič und Dr. Vitomir Belaj), Prof. Dr. Csaba Gy. Kiss aus Budapest und Direktor Dr. Reginald Vospernik aus Klagenfurt. Welche dramatischen politischen Verände­rungen Europa und den Volksgruppen bevorstanden, ahnte zwar 1987 wohl noch niemand, doch schon 1988 war ein – englischsprachiger – Vortrag über „Ethnische Aspekte der jugos­lawischen Krise – Die zukünftige Entwicklung der multinationalen Gesellschaft“ (Mag. Silvo Devetak) für jeden einigermaßen Sensibilisierten sehr aufschlussreich, jedenfalls bezüglich des damaligen Jugoslawien. Trotz aller Vorzeichen auf bevorstehende politische Änderungen war das Interesse an den Volksgruppensprachen in Österreich – als den Schlüsseln zur Wirt­schaft etlicher Nachbarstaaten – damals noch sehr gering, sodass eine gemeinsame Aktion der ARGE mit der Vereinigung österreichischer Industrieller/Spracheninstitut der Industrie (SPIDI), mit der auf breiter Basis für Ungarisch- und Slowenischkurse geworben wurde, im Sommer 1988 erfolglos blieb. Im übrigen wurde 1988 der Auswirkungen des „Anschlusses“ von 1938 auf die österreichischen Volksgruppen gedacht, zu welchem Thema es auch einen Vortrags- und Diskussionsabend mit Referenten aus dem Burgenland, Wien und Kärnten gab.

1989 stand das Symposion am Nationalfeiertag mit dem Thema „Wien-Budapest, Gemein­same Kulturen in ihrer ethnischen Vielfalt“ schon ganz im Zeichen des Wiederentdeckens der Nachbarn auf der anderen Seite des sich auflösenden „Eisernen Vorhangs“. Über die ethni­sche Vielfalt Wiens referierten Prof. Dr. Monika Glettler, Univ.-Prof. Dr. Stanislaus Hafner, Dr. Jakob Ebner und Dr. Károly Cserján, in gleicher Weise berichteten über Budapest Prof. Dr. Károly Vörös, Dr. Mária Zsilák und Prof. Dr. József Herman. Im selben Jahr wurde auch erstmals der Plan einer Ausstellung von Bildern, die von Künstlern aus den Volksgruppen stammen, erörtert; die eingehende Beschäftigung mit solchen und ähnlichen Plänen in den folgenden Jahren hat jedoch zur Erkenntnis geführt, dass eine Verwirklichung wegen der auf­tretenden Finanzierungs- und Haftungsfragen nur mit Hilfe professioneller Partner und groß­zügiger Sponsoren möglich wäre.

1990 veranstaltete die ARGE mehrere Vortragsabende, wobei auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Fessel GfK über das Wissen der Österreicher über „ihre“ Volksgruppen und die Einstellung zu ihnen präsentiert und diskutiert wurde. Wie von Dr. Rudolf Bretschneider bei der mündlichen Präsentation der Umfrage mitgeteilt, zeigte sich u. a. nicht nur eine relativ geringe Kenntnis der Österreicher von der Existenz insbes. der unga­rischen und der tschechischen Volksgruppe, sondern vor allem eine höchst unterschiedliche Bewertung dieser Existenz: Nur etwa 23% der Befragten sahen darin eine „Bereicherung und einen Vorteil“ für Österreich, 27% hingegen eine „Belastung und einen Nachteil“, der Rest – immerhin etwa die Hälfte der Befragten – „lebt im Frieden der Meinungslosigkeit“, wie es Dr. Bretschneider kommentierte. Deutlich wurde aus diesen Daten jedenfalls, dass – wofür die ARGE steht – noch genug Informationsarbeit zu leisten ist, und zwar sachlich-objektive Information, nicht im Dienste einer bestimmten politischen Richtung oder eines einzelnen.

Schon 1990 begannen die Vorbereitungen für das XVI. Treffen der Volksgruppen der Nach­barländer, das unter dem Thema „Tradition und Fortschritt – Die Volksgruppen in der In­dustriegesellschaft“ vom 25.-27.10.1991 im Kurzentrum Oberlaa unter der Leitung von Dr. Franci Zwitter (Klagenfurt) stattfand. In das Programm dieses Treffens wurde das ohnehin für 1991 vorgesehene Symposion der ARGE integriert. Die ARGE besorgte daher auch die Orga­nisation der gesamten Veranstaltung, bei der insgesamt 60 Volksgruppenorganisationen von 29 Volksgruppen aus 7 Staaten vertreten waren und 14 Sprachen verwendet wurden; allein die Zahl der offiziell registrierten Teilnehmer betrug  147. Diese Veranstaltung, die durch den Wiener Bürgermeister Dr. Helmut Zilk und den Vizekanzler und Bundesminister für Wissen­schaft und Forschung, Dr. Erhard Busek, eröffnet wurde, war zweifellos einer der Höhe­punkte in der bisherigen Tätigkeit der ARGE. Am ersten Tag sprachen zum Tagungsthema Univ.-Doz. Dr. Andreas Moritsch (Wien), Prof. Dr. Vladimir Klemenčič (Laibach), Dr. Ján Bunčák (Pressburg) und Univ.-Doz. Dr. Heinz Fassmann (Wien); im Anschluss daran gab es aus aktuellem Anlass ein Sonderprogramm zur jugoslawischen Krise. Die folgenden Tage waren zunächst der Vorstellung der Ergebnisse einer von Fessel GfK und der ARGE gemein­sam geplanten und durchgeführten Fragebogenaktion zum Tagungsthema gewidmet (Auszüge aus den Ergebnissen sind auch veröffentlicht worden), das Hauptgewicht lag dann auf den Berichten der zahlreichen Volksgruppenvertreter und der Diskussion über die damals z. T. dramatische Situation mancher Volksgruppen.

1991 fand in Österreich aber auch eine Volkszählung statt, die für die Volksgruppen viele Fragen aufwarf. Die ARGE hatte Fragen der Volkszählung schon früher immer wieder ange­schnitten und rechtzeitig, im Frühjahr 1991, mit Vertretern der offiziellen statistischen Ämter einen Informations- und Diskussionsabend über das bei der Volkszählung verwendete Erhe­bungsmerkmal der „Umgangssprache“ veranstaltet, der auf reges Interesse stieß. Dazu, dass zur Volkszählung 1991 nun amtliche Informationsblätter in verschiedenen Sprachen erschienen und auf den auszufüllenden Formularen insgesamt sieben Sprachen bereits vorgegeben waren und nur mehr angekreuzt zu werden brauchten, mögen auch die diversen Aktionen der ARGE beigetragen haben.

Das zerfallende Jugoslawien stand auch 1992 im Zentrum einer ARGE-Veranstaltung; an einem anderen Abend wurde in mehreren Vorträgen der Deportation von Kärntner Slowenen vor fünfzig Jahren gedacht.

Den Ergebnissen der Volkszählung des Jahres 1991 war 1993 ein Informations- und Diskus­sionsabend gewidmet. Bei der Planung des Symposions in diesem Jahr sah sich die ARGE der Situation gegenüber, dass etliche neue Staaten entstanden waren und ihre Einstellung zu Volksgruppen zum Teil sich erst abzuzeichnen begann. Es lag daher nahe, dieses Symposion, das am 26. 10. 1993 im Festsaal des Österr. Ingenieur- und Architektenvereins in der Eschen­bachgasse im ersten Bezirk stattfand, unter das Thema „Die österreichischen Volksgruppen und ihre ‚Mutter­völker‘ – Möglichkeiten und Grenzen“ zu stellen. Von den insgesamt 8 Referenten war jeweils die Hälfte aus dem in Betracht kommenden Ausland (Mag. Tihomir Telišman [Kroa­tien], Dr. Augustin Lang [Slowakei], Prof. Ing. Dr. Miroslaw Píchal [Tschechische Republik] und András Bertalan Székely [Ungarn], die andere Hälfte aus Österreich [Peter Tyran, Mag. Camilla Labas, Mag. Marija Jurič-Pahor und Dr. András Smuk]). Mit diesem Symposion wurde auch das 10jährige Bestehen der ARGE gefeiert.

Nach den großen politischen Umwälzungen zu Beginn der Neunzigerjahre blieb nun wieder mehr Zeit, sich auch dem kulturellen bzw. kulturgeschichtlichen Auftrag der ARGE zuzu­wenden. So gab es z.B. 1994 einen Vortrag mit Lichtbildern über das Burgenland und die regionalen Merkmale in der Bau- und Wohnkultur oder 1996 eine Veranstaltung über die Mehrsprachigkeit im Alltagsleben der oberungarischen slowakischen Städte im 19. Jahrhun­dert. Auch der Plan einer Ausstellung wurde in diesen Jahren wieder aufgenommen und weiterentwickelt, konnte aber bisher mangels Sponsoren nicht verwirklicht werden.

Das Symposion 1995 stand im Zeichen der 40-Jahr-Feiern des Staatsvertrages von 1955, dessen Art. 7 für die kroatische und die slowenische Volksgruppe eine wichtige Rechts­grundlage ist. Im Burgenländisch-Kroatischen Zentrum in der Schwindgasse referierten am 26. 10. zum Thema „40 Jahre Staatsvertrag 1955-1995 – Der Staatsvertrag und die Volks­gruppen“ Dr. Theodor Domej, Univ.-Doz. Dr. Albert F. Reiterer, Dr. Heinz Tichy und Dr. Gerlinde Stern-Pauer.

Mitte der Neunzigerjahre ergriff die ARGE die Initiative für eine wesentliche Verstärkung und Verbesserung des Unterrichts in den Volksgruppensprachen in Wien. Erste konkrete Vor­schläge wurden 1997 in Vorträgen vorgestellt. Auch auf die psychologischen Aspekte des Volksgruppenlebens ist seither verstärktes Augenmerk gelegt worden, z. B. durch einen Vor­trag über psychologische Fragen des Spracherwerbs. In ähnliche Richtung bewegte sich auch das Symposion dieses Jahres, diesmal am 25. 10., wieder im Burgenländisch-Kroatischen Zentrum, mit dem Thema „Die Wiener Volksgruppen und ihre Identitäten“; es sprachen Dr. Károly Jávorszky, Mag. Ulrika Kruh, Dr. Vera Mayer, Dr. Károly Cserján, Manfred Csenar, Dr. Franci Zwitter (jun.), Dr. Slavo Ondrejovič und Rudolf Sarközi. Während die beiden erst­genannten das Thema allgemein behandelten, sprachen die folgenden Referenten jeweils über die Situation ihrer Volksgruppe, wobei mit Rudolf Sarközi erstmals auch ein Vertreter der österreichischen Roma seine Vorstellungen bei einem ARGE-Symposion darlegte.

Die nächste Volkszählung (2001) warf, wie schon ein Jahrzehnt vorher, wieder ihre Schatten voraus, wieder stellten sich Fragen zum Erhebungsmerkmal der „Umgangssprache“. Neuer­lich nahm sich die ARGE, diesmal bereits 1998, an einem Vortragsabend mit anschließender reger Diskussion und unter Zuziehung sowohl von Wissenschaftern als auch von Vertretern der statistischen Ämter dieses, wenn auch mit unterschiedlichen Facetten, immer wiederkeh­renden Themas an, das von Politikern so leicht und so gerne missbraucht wird.

Da der 26. Oktober, als Feiertag und gern genützter Wandertag, für die Veranstaltung der zumeist halbtägigen ARGE-Symposien von zunehmend mehr Teilnehmern als beschwerlich empfunden wurde, ist seit 1999 das Symposion auf den 12. November, den Tag der (formel­len) Erklärung Österreichs zur Republik, festgelegt worden, was sich bisher durchaus bewährt hat. Das Symposion dieses Jahres wurde gemeinsam mit der Österreichischen Liga für Men­schenrechte in den Festräumen des Unterrichtsministeriums veranstaltet und stand unter dem Motto „Kein Europa ohne Mehrsprachigkeit“. Es referierten Dr. Heinrich Neisser (Vizepräsi­dent der Österr. Liga für Menschenrechte), Univ.-Prof. Dr. Rudolf de Cillia, Univ.-Prof. Dr. Georg Kremnitz (beide Universität Wien), Mag. Franz Schimek (Stadtschulrat für Wien), Dr. Georg Piskaty (Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft) und Karl-Heinz Nachtnebel (Österr. Gewerkschaftsbund). Die Förderung des Sprachenlernens an den Schulen, z. B. durch bilinguale Erziehung, stand im Mittelpunkt der meisten Vorträge. Über die Sprachkenntnisse der Jugend aus dem Kreise der Volksgruppen konnten sich die Teilnehmer durch die Rezitationen in den Volksgruppensprachen überzeugen.

Schon seit dem Ende der Neunzigerjahre wurde vereinsintern immer wieder das allmähliche wirtschaftliche und politische bzw. rechtliche, aber auch das – sehr langsame – geistige Zusammenwachsen Europas und dessen Auswirkungen auf die Volksgruppen erörtert. Seinen Niederschlag fand dies z. B. im Jahre 2000 in einem Diskussionsabend über neue Wege zur europäischen Lösung von Volksgruppenfragen am Beispiel Kärntens. Einen besonderen Stellenwert in diesem Zusammenwachsen besitzen, neben der EU-Erweiterung, die beiden im Rahmen des Europarats geschlossenen einschlägigen völkerrechtlichen Übereinkommen, nämlich das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und die Europäi­sche Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Auf letztere Charta nahm, aus aktuel­lem Anlass des Sprachenjahres 2001, das Symposion am 12. 11. 2001 im Alten Rathaus in der Wipplingerstrasse mit dem Thema „Schulunterricht in den Volksgruppensprachen in Wien – Chance durch die neue Sprachencharta“ Bezug. Nach der Eröffnung mit der kroatischen Folkloregruppe „Piplići“ sprachen Ing. Štefan Pauer, Rudolf Sarközi, Dr. Ernő Deák, Ing. Karl Hanzl, Dr. Nikola Bencsics, Mag. Manfred Pinterits, Direktorin Christine Schiller und Dr. Heinz Tichy. Die Vorträge boten einen umfassenden, aber auch genauen Überblick über die derzeit in Wien aktuellen Modelle mehrsprachigen Unterrichts bzw. des Unterrichts der und in den Volksgruppensprachen. Wenn auch einzelne Initiativen der Stadt Wien, gemessen an der Situation vor etwa einem Jahrzehnt, sehr beachtenswert und positiv sind (z.B. die Europäische Mittelschule in der Neustiftgasse im 7. Gemeindebezirk), so ist doch der Unter­richt in den betreffenden Sprachen in weiten Bereichen noch immer unzureichend. Dort, wo es aufgrund der Initiative der jeweiligen Volksgruppe entsprechenden Unterricht – zumindest in Ansätzen – gibt, leidet er an Geldmangel, wie dies insbesondere das Beispiel des – durch­aus entwickelten – privaten Schulwesens des tschechischen Schulvereins „Komenský“ zeigt. Darüber hinaus werden auch die rechtlichen Vorgaben der erwähnten Sprachencharta gerade bezüglich des Unterrichts in Wien nicht ausreichend erfüllt.

2001 war aber auch wieder ein Jahr, in dem eine Volkszählung durchgeführt wurde – ein ent­sprechender Vortragsabend mit Diskussion, diesmal gemeinsam mit dem Kaláka-Club veran­staltet, war daher schon selbverständlich.

Eine andere Ebene des Zusammenwachsens Europas, nämlich die bevorstehende EU-Erweite­rung 2004 und ihre Auswirkungen auf die Volksgruppen in Österreich, wurde von der ARGE erstmals im Jahre 2002 thematisiert. Der Vortrag von Nationalratsabgeordneter Dr. Elisabeth Hlavač machte deutlich, dass viele wichtige, damit verbundene Fragen bisher offenbar noch nicht durchdacht worden sind; dieses Thema bildete daher – neben der Volkszählungsthematik – einen der materiellen Schwerpunkte des Symposions 2003.